Meine soziologische Desertation und der Rückschlag

Wie auch einige meiner früheren Blogeinträge vor einigen Jahren trotz ihrer kindlichen Unreife schon deutlich gezeigt haben, war ich ständig eine Person, die eine in unseren heutigen Gesellschaftsverhältnissen sehr kostbare, wertvolle und seltene Eigenschaft mit großem Interesse verfolgte. Die Überzeugung, es versuchen zu müssen, in meinem Leben so viel wie möglich Freiheit einzubinden, hat mich schnell und früh an die Grenze der sozialen Leiter gedrückt, und mich dann unmittelbar nach dem Absolvieren des Pflichtprogramms auch zum vollständigen Ausstieg befähigt. Unter der unbewussten Reflexion und der Befürwortung dieses Zustandes entwickelte sich mein nun redlicher Charakter langsam heraus. Nach dem Absitzen der gesetzlichen Schulpflicht und dem absolvieren der militärischen Dienstzeit, bei der mich das Schicksal zum Glück noch nicht zur formalen Desertation, sondern noch zum Zivildienst geleitet hatte, konkretisierte ich meinen Versuch des freiheitlichen Lebens in Form einer ersten, halbjährigen Reise durch Deutschland.

Diese erste Reise war, wie meine damaligen Aussagen auch stets bestätigten, nur ein Eigennutz und diente hauptsächlich der „Selbstfindung“. Keime von Gedanken gemeinschaftlicher, alternativer Lebensstile erstickten meist sofort, weil der Status der völligen Erfüllung meines Lebens zu dieser Zeit keinen kritischen Denkstil ermöglichte.

Nach dem inhaltlich völlig erfolgreichen, materiell etwas misslungenen Ende der Reise (mein nicht gerade wertloser Anhänger mit Inhalt wurde ja kurz vor dem Ziel noch gestohlen) führte ich einen Sommer lang ein Doppelleben. Formal ordentlich als Arbeitnehmer tätig, häufte ich in einem für Vollzeitarbeitsverhältnisse maximal möglichen freiheitlichem Lebensstil Ersparnisse, die mich zusammen mit meiner auf der Deutschlandreise kennengelernten Lebensabschnittsgefährtin absichern sollte, während wir beide mit dem Fahrrad durch Europa reisen würden.

Den Winter genossen wir unsere nun nahezu völlige Freiheit und Unabhängigkeit in Paris. Irgendwann am Anfang Februar holte eine immense Flut von sozialen, menschlichen Verpflichtungen uns schlagartig zurück in die Ketten der gesellschaftlichen Verpflichtungen. Elli wurde Schwanger, und nun erwarten wir zurück in ihrer Heimatstadt Leipzig die Gründung unserer Familie.

Aus dieser Sache habe ich eine Lehre gezogen: Für meine damalige Lebenssituation habe ich das beste gemacht, was ich hätte mache können. Das Leben alternativer Gesellschaftsmodelle funktioniert ganz generell nur mithilfe zweier Möglichkeiten: die Unabhängigkeit von dem System durch Integration und Fülle an Macht (Kaufkraft) oder der Flucht aus dem System. Da ich keine reiche Herkunft hatte, entschied ich mich richtig für die Flucht.

Die neue Verpflichtung, die sich mir aber nun stellt, ist unüberwindbar, und stellt mir nun völlig neue Lebensaufgaben. Die Komplexität meines neuen Lebensentwurfes kommt nun daher, dass ich mich in einem Spagat übe, der die Abneigung gegenüber bestehenden Strukturen so hinwegkaschiert, dass das Leben mit dem mir unmittelbar in dieser Systematik gegebenem möglich wird. Mit stoischem Gleichmut trotze ich der gesellschaftlichen Integration weiterhin, und gebe mich passiv. Meine Freiheit beschränkt sich nun auf die Verwendung der letzten geistigen Möglichkeiten, die mir praktisch übrig geblieben sind. Die theoretische Beschäftigung mit alternativen Lebensstilen von den Sozialutopien Charles Fourier's, über die Silvio Gesellsche Wirtschaftsordnung bis zu den jüngsten High-Tech Utopien der Zeitgeistbewegung wird mein faktischer Lebensentwurf in dieser Hinsicht sein, und dem theoretischen Wunsch ständig weit entfernt bleiben.


Vorallem ist mir klar geworden, dass das Vagabundieren wahrscheinlich zu einfach gewesen wäre, und ich bin froh, dass das Schicksal mich zurück geholt hat.

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