Halbzeit

Es ist sowohl die Halbzeit meines Aufenthalts in München, wie auch die Halbzeit der kompletten Reise erreicht. Somit gibt es, trotz Reiseberichtspause, einige zufällige Bilder, die beweisen, das ich noch am Leben bin:



Das bin ich. Jetzt gerade gegenüber des Internet-Cafes. Wie man sieht hab ich meine Ausrüstung stark dezimiert und portabler gemacht. Ich kann mich jetzt überall frei ohne Hänger bewegen. Eine sehr wichtige Entlastung !!!



Dies ist das Kopfkissen sowie das Mobil meines ehemaligen WG-Zimmergenossen Renee. Ja! ehemalig. Denn ich habe mich von ihm getrennt. Der Grund dafür:


Alkoholiker!

Hier ein Exemplar der nicht ganz so gemütlichen Schlafgelegenheiten:




Um so gemütlicher dafür diese Waschmaschine, der Wäschetrockner, diese Badewanne, diese Dusche und diese Umkleidekabine:


Dies ist der Blick auf Renees Zimmerhälfte. Und Ja, das ist ein Didgeridoo.

Hier ist ein gleichgesinnter Münchener:


Münchener Street-Surfer:


Zum Schluss noch einige Gedankenverkettungen für diejenigen, die sich für den philosophischen Aspekt meiner Reise interessieren:
Was ich bin? - das formenlose, wandelnde Phantom
Was ich werde? - das werde ich formen.

Woraus forme ich? Untergegangene Ideale, herrschende Ideale, zukünftige Ideale

Also, was werde ich? ein bunter Farbentopf, gerührt und chaotisch

Werde ich mich ernst nehmen? Nein, noch ist die Zeit nicht reif für ernst.
Warum das alles? - Ich nahm nie die Farbe meiner Eltern, oder Zeitgenossen an. Wie sollte ich anders?

Aller Ziel ist Anfang zugleich. So versuche ich die Entfaltung meines Samens, und beobachte, welche Kultur nun dort zustande kommen mag.
Was ich nicht will? - Stagnation, Schlaf, Nihilismus, Dekadenz, List, Scham

Was ich will? - Redlichkeit, Aufrichtigkeit, Stolz, Kraft, Hoffnung, Perspektive

Was ich akzeptiere? - Einsamkeit, Armut, Angst, Seelenmarter, Gelächter, Verachtung

Die Sitte

Aus der Stadt, in der das Tun der Menschen stets kontrolliert wird,
zog er ins Dorf, in dem der Menschen lächeln mit Vertrauen verziert wirkt.
Sein schreiten durch die Gassen verfolgen noch immer
Skepsis, Misstrauen und lange Finger

Sein Gewissen schwankt in dieser Welt ständig hin,
Egoismus, List und Rache macht doch Sinn?
und her, denn Gerechtigkeit und Edelmut frohlockt,
wer unter sittlichen und gerechten Idealen hockt

Ach! So kindisch! Was tun wir nur bei uns daheim?
Die ständige Kontrolle macht das Städte-Volk gemein!
Moral und Sitte sind Phantasterei; Hier unterm Dorfes-Dach
wird Altruismus zur Gewissensfrage gemacht!

Und kein deut gerechter, edler oder besser
sieht es aus unterm Seziermesser
sondern nur ganz anders hinter tausend Eck´
verkleidet sich die Sitte und wähnt sich versteckt.

Hab mich entschieden

Ich hab mich entschieden, und kündige meine Entscheidung nun amtlich mit:

Dem Edgar, meinem aktuellen Arbeitgeber, werde ich für 2 Monate, also bis zum 30. Juli treu bleiben und am 1. August meine Reise Richtung Berlin fortzusetzen. Bis dahin versuche ich meinen WG-Kumpel Renee vom Alkoholismus zu befreien, und hier ein schönes Leben zu führen. Das ist in München wirklich nicht schwierig, denn bis auf den Fakt, das die Leute spiessig sind, ist es hier Wunderschön.

Renee geht mir ziemlich auf den Sack sobald er besoffen ist. Nüchtern ist er sehr, sehr in Ordnung. Er ist aber tatsächlich niemals nüchtern. Ausser während seiner Arbeitszeit. Da das schon jahrelang so geht wird wohl eine psychologische Meisterleistung meinerseits erforderlich sein, damit er die Wende bekommt.

Edgar ist ebenfalls einer der besten Arbeitgeber, die man haben kann. Die Sauharte Arbeit macht da doch trotzdem Spaß. Ausserdem lerne ich viel und irgendeiner muss ja auch die Drecksarbeit machen.

Eine Menge Ausrüstung werde ich zurücklassen. Vielleicht werde ich meinen Anhänger verkaufen und versuchen, nur die notwendigsten Dinge auf mein Trekking-Rad zu packen. Ziel ist es, in einem Monat Berlin und im folgenden Monat wieder Recklinghausen zu erreichen. Ich würde dann ab Oktober wieder in meiner Heimat, dem Ruhrgebiet sein, und euch mit Servus nerven, das ich mir mittlerweile angewöhnt habe...

Und Jürgen Marcus hat vollkommen Recht, wenn er sagt, "eine neue Liebe ist wie ein neues Leben" - denn das stelle ich hier in München gerade am eigenen Leibe und sogar im Kopfe fest. Leider kann ich mich von sowas nicht von meiner Reise abhalten lassen, auch wenn dieser Fakt meine Abreise hier um einiges erschweren wird.

In diesem Sinne...

RB7: München; - Reisepause HB Weltbild -

Bei meiner Ankunft in München traf ich Renee; er stand dort mit einem Old School Deck. Er fährt seit 20 Jahren Skateboard, ist 31 Jahre alt, akuter(!) Alkoholiker und macht die geilsten Old School Tricks die ich je gesehen habe (Front foot Impossible, ... !!!). Er kommt aus Remscheid, und war ebenfalls gerade auf einer Rundreise und hat sich zufällig ein Zimmer gemietet. Die erste Nacht haben wir zusammen unter einer Brücke geschlafen; die Nacht war sehr hart weil es Gewitterte und in Strömen regnete und wir genau an der Stelle waren, an der sich das Wasser sammelt. Als wir also Nachts aufwachten schwommen wir schon fast im Wasser. Die gesamte Ausrüstung ist ebenfalls Nass geworden. Der Rest der Nacht war kalt und windig.

Am nächsten Abend suchten wir uns eine andere Brücke; diese war sandig und die ganze Ausrüstung voller Sand.

Am nächsten Abend sind wir beide gemeinsam in eine WG gezogen; Komplettmiete 150 Euro. Jeder zahlt 75. Keine Dusche. Kein heisses Wasser. Nur ein Haus- und Gruppenwaschbecken und Toilette. Die Lage ist Super. Aldi, Rewe, Disco, Kneipe, Skatepark, München Innenstadt locker in maximal 10 Minuten zu erreichen.

Die Leute in München sind unvorstellbar Spießig. Frauen unerreichbar. Viel Geld, teure Autos. Jeder hat Arbeit.

Ich arbeite jetzt als Parkettleger und verdiene 1600€ Brutto; die Arbeit geht 12 Stunden am Tag und ist Knochenhart. Mit Rene habe ich die geilsten Abende überhaupt erlebt; er ist der deutsche Mike Vallely in jeder Hinsicht, kann tagelang durchsaufen und Feiern und am nächsten Tag trotzdem pünktlich zur Arbeit gehen (er ist Schreiner). Die Dinge, die uns hier in München passieren, sind abseits jedes Zufalls. Es gab kaum einen Abend der nicht so extrem geil verlaufen wäre. Ich muß diese Chance einfach wahr nehmen und hier in München pausieren. Vielleicht bleibe ich einen Monat, vielleicht bleibe ich bis zum Oktoberfest (der übrigens gleichzeitig auch an dem Platz stattfindet, an dem der Skatepark steht), vielleicht überwintere ich hier und setze meine Reise Richtung Berlin nächstes Jahr im April fort. Fest steht, das Herberts Weltbild was die Reiseberichte angeht zunächst pausiert.