In einem vor kurzem veröffentlichtem Artikel auf Slashdot wird die Frage gestellt, nach welchen Kriterien die Hemmschwelle für die Nachbildung realer militärischer Konflikte in Computerspielen sinkt. Als Hauptkriterium wird der zeitliche Abstand zwischen dem realen Ereignis und der Veröffentlichung des Spiels genannt. Ich denke, die politische Verdaulichkeit eines Ereignisses wird in der Praxis mit dem Marktinteresse des Produkts abgewogen; der Unterhaltungs-Actionfilm zu den Terroranschlägen in New York lief bspw. bereits 5 Jahre nach dem Akt; vom ersten und zweiten Weltkrieg ist der Video,- und Videospiele-Markt nur so überschwemmt. Ausserdem eignen sich solche Medien hervorragend zur Indoktrination politischer Werte.
Als ich kleiner war, spielte ich gerne das zu seiner Zeit geniale Spiel Colonization von Sid Meier. Dieses Spielprinzip öffnete ein ganzes Genre von Zivilisationsspielen, in denen der Spieler das Schicksal seines Volkes von dem Beginn menschlicher Kultur bis weit in die Zukunft hinaus bestimmen kann. Seit Civilization II auch kompetetiv gegen andere Mitspieler, oder kooperativ mit andren Spielern gegen den Computer, oder andere Spieler. Die Schemata, nach denen die Spielregeln aufgebaut sind, gleichen dabei realen politischen Vorgehensweisen. Die Höhe der Steuern z.B. beeinflussen die Glücklichkeit des Volkes; ist der soziale Stand irgendwann zu lange gedrückt, kommt es zu sozialen Aufruhen oder Revolutionen. Missionare versuchen, das "andere" Volk theologisch zu missionieren, Diplomaten, es politisch oder wirtschaftlich zu okkupieren, und, je nach Epoche, in der man sich befindet, durch Krieger, Soldaten oder Kriegsmaschinerie militärisch zu erobern. Die Vorgehensweise bestimmt dabei der Spieler, ganz wie in der Realität.
Obwohl in den meisten Implementationen dieses Spiel-Genres reale Vorgehensweisen wie das Foltern von Kriegsgefangenen aus Laune oder zur Informationsbeschaffung, oder das aushungern von Volksschichten durch Resourcenvorenthaltung fehlen, kann man mit diesen Spielen entweder völlig fiktive Geschichtsverläufe nachspielen, mit Szenarien, bei denen bspw. die Azteken auf europäischen Boden gegen Amerikaner gewinnen, man kann etwas realistischer werden und schauen, was hätte passieren können, hätten die Deutschen den zweiten Weltkrieg gewonnen, oder aber versuchen, die reale politische, wirtschaftliche und technologische Situation auf der Erde, wie sie sich momentan darstellt, möglicht präzise Nachzubilden.
Eine öffentliche ethische Diskussion über solche Spiele hat es nie gegeben. Ich denke, das liegt teilweise am Mangel an Massenpopularität des Genres, aber hauptsächlich daran, dass das Detail des Kriegsgeschehnisses versteckt bleibt, und damit die Obszönität aussen vor bleibt. Ob ich ein Bogenschützen-Symbol auf ein Dorf-Symbol ziehe, um einen Angriff zu befehlen, oder in realitätsgetreuen 3d-Shootern detailliert dargestellte feindliche Soldaten erschiesse, scheint psychologisch einen großen Unterscheid zu machen.
Solche Simulationen demonstrieren aber meine ohnehin seit längerem gefestigte Ansicht, dass solche Denkkategorien, in denen Völker und Nationen vorkommen, die höher potenzierte natürliich-instinktive Vernunft wiederspiegelt, die die Natur jedem Sozialwesen als Instrument an die Hand gibt, um biologische Entwicklung durch Konkurrenz voranzutreiben.
Die Überwindung dieser Instrumente ist zwar spätestens seit Marx theoretisch durchdacht, von den tatsächlichen Früchten dieser Überwinduungs ist, bis auf wenigen Theoretikern, aber nichts zu sehen. Ganz im Gegenteil, die etablierte Politik macht eine Statur, die aussieht, als würde sie da Schicksal der Menschheit eher noch ins Verderben rücken, bevor sie die Auflockerung klassisch-politischer Schemata zulässt. Ich hoffe, ich werde es mitbeobachten können, wie die Übergangsphase sich in den nächsten Jahrzehnten vollzieht, und Spiele wie Civilization dem Museum angehören.
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