Mir ist aufgefallen, das die menschliche Isolation von der Gesellschaft bei weitem leichter fällt, wenn diese Gesellschaft um einen herum, von der man sich isolieren will, eine fremde Sprache spricht.
Ich saß nun mehrere Stunden an diesem Tisch in diesem Lokal; inmitten französischem Sprachgetümmel. Plötzlich setzen sich sechs deutsch sprechende Touristen an den Nachbartisch, und fangen ein typisches Gespräch voller Belanglosigkeiten an. Nun war es mir nicht mehr möglich, mich zu isolieren. Aufgrund der Gewöhnung an meine Muttersprache wird der Fokus meiner eigenen Aufmerksamkeit gewaltsam auf das mir bekannte zurückgeführt.
Ich musste zu Ohrenstopfen greifen. Erst jetzt konnte ich wieder einsame Gedanken fassen. Es scheint, als würde die Sprache uns sehr umfassen - wir denken in ihr, wir definieren uns durch sie - wir richten durch sie. Wer sich isolieren will, müsste es nur schaffen, seine eigene Sprache zu erschaffen - schon ist er allein. Die Gewöhnung an, und die daraus folgende Ignoration der periodischen und rhytmischen Reize um mich herum ist zwar die von mir am häufigsten genutzte Möglichkeit, inmitten dieser Geräuschkulisse in diesem von mir dauerbesetztem Lokal zu mir selbst zu finden. Im Falle dieser plötzlich eintretenden Störsubjekte, auf dessen Fokussierung ich nun gezwungen war, war der Mechanismus der Gewöhnung aber nicht mehr wirksam.
Bewusstes inkompatibles Aussehen ist eine weniger radikale Variante, sich zu isolieren. Gerade bei der, selbst die Deutschen übertreffenden Oberflächlichkeit der Franzosen ist es nahezu ausgeschlossen, das mich jemand trotz meiner ungewaschenen, ungekämmten und chaotisch verwilderten Haaren anspricht. Das hilft mir durch den Winter. Im Frühling dann, wenn mir Gesellschaft in Maßen wieder genehm ist, pflege ich meine Haare wieder - und bin dann auch wieder der normale Mensch, wie jeder andere auch.
"Wer sich isolieren will, müsste es nur schaffen, seine eigene Sprache zu erschaffen - schon ist er allein."
AntwortenLöschenWie die Ironie es nun will gibt es Sprache allerdings einzig und allein zu dem Zweck der Kommunikation. Ein Mensch mit sich allein braucht keine Sprache, er muss sich nichts erklären.
Auf der anderen Seite ist es schicksalhafterweise unmöglich seine Sprache zu verlernen. Du wirst gezwungen die Wörter deiner Sprache aufzunehmen und zu verstehen sobald du sie einmal akustisch wahrgenommen hast.